2020 könnte das Jahr der Entscheidung werden. Zwar regte sich sofort Widerstand gegen die von Finanzminister Scholz noch kurz vor Weihnachten vorgestellten Pläne zur Finanztransaktionssteuer, auch „Börsensteuer“ genannt – vom Tisch ist die Steuer damit aber (leider) noch nicht.
Die Kritik kam keineswegs nur aus Deutschland selbst, sondern bemerkenswerter Weise auch von jenen Ländern, die die Steuer potenziell unterstützen. Aus Österreich kam die wohl deutlichste Kritik: Der Vorschlag werde den eigentlichen Anforderungen nicht gerecht, so heißt es dort. Tatsächlich hätte das Vorhaben keine geringen Auswirkungen besonders auch für die Klein-Anleger. Dabei kommt die Finanztransaktionssteuer so freundlich daher: Zum einen klingt das Gesetz so, als würde es außer Profi-Spekulanten kaum jemanden treffen, zum anderen erscheint die Höhe von 0,2% auf Aktienkäufe geradezu marginal. Alles andere ist aber der Fall.
Denn durch ihre vielen Ausnahmetatbestände träfe die Steuer vor allem die Kleinanleger, die mit Aktien Vermögen aufbauen wollen, z.B. um für das Alter vorzusorgen, und die so gering erscheinenden 0,2% summieren sich ganz schön über die Jahre. Wichtig ist, zu verstehen, dass sie wie eine Mehrwertsteuer auf den Aktienkauf (nicht allerdings den Verkauf) von Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von einer Milliarde Euro und mehr wirken. Wer 100 Euro anlegen will, kann nach Abzug der Steuer nur noch 99,80 Euro investieren. Wie jede Mehrwertsteuer, so wird auch diese vom Käufer und nicht von der Börse oder dem im Auftrag handelnden Finanzinstitut gezahlt.
Beispiel: Eine Anlegerin zahlt monatlich in einen Sparplan auf Aktien 100 Euro ein. Da sie für das Alter vorsorgt, lässt sie diesen Sparplan 30 Jahre laufen, nimmt also insgesamt 36.000 Euro in die Hand. Bei einer unterstellten Rendite von durchschnittlich 6% pro Jahr, Wiederanlage aller Ausschüttungen und ohne Steuern zu berücksichtigen, käme sie am Ende der Laufzeit auf 100.562 Euro. Ein stolzes Sümmchen. Unterstellt, sie ist eine aktive Investorin und verändert den Aktienbestand jedes Jahr genau einmal, verkauft also die Anteile der Vorjahre und kauft diese in neuer Zusammensetzung wieder, dann hat sie unter Berücksichtigung der Finanztransaktionssteuer nur 96.693 Euro, also 3.868 Euro weniger. 2.097 Euro davon entfallen auf die Börsensteuer. Die weiteren 1.770 Euro sind Opportunitätskosten, d.h. eine Minderrendite, da sie insgesamt weniger Geld zum Investieren hatte als ohne diese neue Mehrwertsteuer.
Modellrechnung
Laufzeit in Jahren | 10 | 20 | 30 |
---|---|---|---|
Vermögen ohne FTT | 16.765,97 € | 46.791,27 € | 100.562,01 € |
Vermögen nach FTT | 16.566,78 € | 45.647,31 € | 96.693,84 € |
Transaktionskosten | 157,80 € | 748,01 € | 2.097,23 € |
Gesamtverlust | 199,19 € | 1.143,96 € | 3.868,17 € |
Minderertrag in Jahresbeiträgen | 0,17 | 0,95 | 3,22 |
Modellannahmen: 6% Rendite p.a.; 0,2% FTT; Turnover der Bestände einmal p.a.
Quelle: Global Capital Markets & Thematic Research Allianz Global Investors
Nun lässt sich einwenden, welcher Anleger verändert sein Depot schon einmal im Jahr komplett? Die wenigsten, das ist sicher richtig. Die meisten Anleger dürften ihre Sparpläne allerdings mit (Aktien-)Fonds unterlegen, und die Fondsmanager nehmen Änderungen vor, um Chancen auszunützen, und natürlich kommt es auch bei ETFs zu Veränderungen. Nach dem Finanzanalyse-Unternehmen Morningstar drehen Fondsmanager das Portfolio im Durchschnitt knapp einmal im Jahr um, was der Grundannahme der beschriebenen Modellrechnung also sehr nahe kommt.
3.868 Euro – das klingt bei einem Ergebnis von über 100.000 Euro erst einmal wenig, das sind aber mehr als die Sparbeiträge von drei Jahren. Drei Jahre für nichts und wieder nichts. Das gilt nicht nur im Falle von Sparplänen, sondern für jede Art der Altersvorsorge, bei der in Aktien investiert wird.
Wer trotzdem immer noch meint, dies seien „Peanuts“, der sollte sich gleichwohl die Sinnfrage stellen. Denn eine unsinnige Steuer bleibt eine unsinnige Steuer – daran ändert auch das Aufkommen nichts. Was wir brauchen, ist eine konzertierte Anstrengung um den Vermögensaufbau für breite Bevölkerungskreise zu unterstützen und keinen zusätzlichen Sand im Getriebe. Und schon gar keine Aktionen, die wie die Börsensteuer Aktien als Anlageform gegenüber Anleihen und Derivaten diskriminieren würden.
Informationen zur Vorbereitung Ihrer Steuererklärung haben wir hier für Sie zusammengetragen.