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Plädoyer für eine Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland

12.08.2021Artikel
Joachim Dahm
Heiko Schreiber
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Die Unternehmenssteuerreform 2008 liegt mehr als zwölf Jahre zurück. Damals war es Deutschland gelungen, im internationalen Steuerbelastungsranking von einem der letzten Plätze in der EU und OECD ins Mittelfeld vorzurücken. Mittlerweile aber wurde diese Positionsverbesserung wieder verspielt. Verantwortlich hierfür sind nicht nur zwischenzeitliche Steuersenkungen im internationalen Umfeld, sondern auch Anhebungen der Gewerbesteuer in den deutschen Kommunen. Mit einer Belastung von mehr als 30 Prozent auf einbehaltene Unternehmensgewinne liegt Deutschland inzwischen wieder deutlich über dem durchschnittlichen Wert der EU- (rund 21 Prozent) und der OECD-Mitgliedstaaten (rund 24 Prozent). 

Verschiedene Studien versuchen zwar zu belegen, dass die Steuerbelastung unternehmerischer Gewinne hierzulande niedriger ist. Sie leiden aber oft an erheblichen methodischen Schwächen und wurden von der Wissenschaft klar widerlegt. An dem Befund des Steuersatzgefälles zwischen Deutschland und den anderen Industriestaaten gibt es also nichts zu deuteln, ob man nun nominelle Steuersätze oder Effektivsteuerbelastungen vergleicht. Im Rahmen einer rechtsformneutralen Betrachtung müsste zudem die auf Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften an ihre Anteilseigener entfallende Einkommensteuer zur Steuerbelastung unternehmerischer Gewinne hinzugerechnet werden. Danach ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung von fast 50 Prozent.

Internationaler Standortwettbewerb

Das Gefälle zu den Wettbewerbern ist also groß. Die Frage ist nun allerdings, ob sich Deutschland überhaupt an dem international niedrigeren Steuerniveau orientieren sollte, schließlich gibt es neben der Steuerbelastung noch weitere Standortfaktoren, von denen viele für Deutschland sprechen. Diesem oft gehörten Hinweis ist zwar kaum zu widersprechen. Aber zugleich ist weitgehend unbestritten, dass von der Steuerbelastung eine erhebliche Signalwirkung nach außen ausgeht. Zum Entscheidungsfaktor wird sie insbesondere dann, wenn es um die Wahl des Standortes für zusätzliche Investitionen geht. Standortwettbewerb ist daher immer auch Steuerwettbewerb.

Letzterer darf allerdings nicht in eine Abwärtsspirale münden. Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren auf EU- und OECD-Ebene stark im Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltung eingesetzt. Das war richtig so. Die Tatsache, dass es einen Steuerwettbewerb gibt, lässt sich so allerdings nicht aus der Welt schaffen. Konzertiertes Vorgehen auf internationaler Ebene darf zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass Standortpolitik primär eine nationale Aufgabe ist. 

Was kann die nächste Bundesregierung tun?

Welche Maßnahmen sollte der deutsche Gesetzgeber in der kommenden Legislaturperiode also ergreifen? Im internationalen Standortwettbewerb kommt es vor allem auf Sichtbarkeit an. Eine Steuersatzsenkung um ein oder zwei Prozentpunkte würde voraussichtlich kaum wahrgenommen werden. Stattdessen gilt es, sich an den großen Wettbewerbern zu orientieren. Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland sollte daher auf einen Wert zurückgeführt werden, der nicht höher als bei 25 Prozent liegt. 

Als problematisch bei der Erreichung dieses Ziels dürfte sich die zweigleisige Unternehmenssteuerstruktur in Deutschland erweisen. Diese setzt sich bei vielen Unternehmen, unter anderem auch bei den meisten Banken, im Wesentlichen aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zusammen. Dabei trägt gerade letztere dazu bei, dass Deutschland in den vergangenen Jahren im Standortwettbewerb zurückgefallen ist. Obwohl die Defizite der Gewerbesteuer schon lange offenkundig sind, scheiterten jegliche Reformbemühungen am Widerstand der Gemeinden. 

Möglich wäre deshalb eine Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von derzeit 15 auf zehn Prozent, was aber eine weitere Marginalisierung der Körperschaftsteuer zur Folge hätte. Um die Gesamtsteuerbelastung zu senken, sollte deshalb auch eine teilweise Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer in Betracht gezogen werden. Dieser pragmatische Vorschlag könnte kurzfristig umgesetzt werden. 

Die Frage der Finanzierbarkeit

Es bleibt die Frage nach der Finanzierbarkeit, zumal eine Entlastung nicht auf Kapitalgesellschaften beschränkt werden kann. Die zu erwartenden Selbstfinanzierungseffekte treten immer erst zeitversetzt ein. Es deshalb beim Status quo zu belassen, hätte jedoch eindeutig nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und damit auf das zukünftige Steueraufkommen. Deswegen sollte der Weg einer Gegenfinanzierung der anfänglichen Steuermindereinnahmen auch nicht wieder durch eine Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlagen beschritten werden, etwa in Form von Einschränkungen bei der Verlustverrechnung oder Betriebsausgabenabzugsverboten. Diese Regelungen beschäftigen bis heute die Gerichte. Übrigens sollte auch die Bankenabgabe, die die Kreditinstitute zusätzlich belastet, als Betriebsausgabe steuerlich abziehbar sein, nicht zuletzt, um Wettbewerbsnachteile der in Deutschland ansässigen Banken zu beseitigen.

Eine Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland ist auch nach den jüngsten Vereinbarungen erforderlich, die auf OECD- und auf G20-Ebene getroffen wurden, unter anderem zur Mindestbesteuerung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen und der Verständigung auf einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent. Diese Vereinbarungen waren allein schon wegen der Zunahme digitaler Dienstleistungen überfällig und sind ein wichtiger Beitrag, um das Steueraufkommen gerechter zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten zu verteilen. 

Die Weichen richtig stellen

Insbesondere vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der immer sichtbarer werdenden Folgen des Klimawandels werden derzeit die Weichen für die Zukunft von nachhaltigem Wachstum und Beschäftigung gestellt. Umso mehr benötigen wir endlich eine überzeugende steuerpolitische Strategie, um Investitionsanreize für die Unternehmen in Deutschland zu schaffen und gestärkt aus der Krise hervorgehen zu können. Wichtig ist, dass die Reformmaßnahmen frühzeitig in Angriff genommen werden. Deutschland muss die Herausforderungen des internationalen Steuerwettbewerbs annehmen.